04.06.2018
/ Von Christoph Mathis

Agil im Großen wird allzu oft als die Auswahl zwischen zwei Frameworks gesehen: SAFe oder LeSS. Gelegentlich kommt noch ein drittes (Phantom-) Framework dazu: Spotify.

Die Entscheidung zwischen LeSS und SAFe ist zu einem großen Teil eine Make-or-buy-Entscheidung, das Spotify-Framework ist einfach ein Missverständnis.

Lasst mich das erklären.

Buy = SAFe

Das Scaled Agile Framework hat als große Stärke sein Big Picture. Damit kann es suggerieren, dass alles ganz einfach, man muss einfach nur ausrollen. Das ist auch seine größte Schwäche: das Big Picture. Es kann in eine Falle führen. Es verleitet dazu, dass Unerfahrene meinen, sie könnten eine große agile Transition anstoßen, nur weil sie die Icons interpretieren können.

Make = LeSS

LeSS startet ganz anders: Am Anfang wird ein Verständnis für Zusammenhänge (systemisches Denken) verordnet, dann werden in Prinzip die Scrum Regeln neu erklärt („jedes Team braucht genau einen PO, aber niemand hat gesagt, dass ein PO nur ein Team haben kann“). Und – die größte Stärke: LeSS bietet einen ausgezeichneten Baukasten von Praktiken. Die größte Schwäche bei LeSS ist sein Absolutheitsanspruch. Es stellt den Anspruch, dass man die organisatorischen Strukturen damit ersetzen kann (und sogar muss). An dieser Stelle verlieren sich mich: große Organisationen brauchen mehr formale Strukturen, auch wenn ich die Einschätzung teile, dass sie sehr oft dysfunktional sind und tiefgreifend verändert werden müssen.

Leider sind Anfänger damit völlig überfordert. (von SAFe übrigens auch – aber der Realitätsschock setzt später ein).

Spotify: ein Schnappschuss auf Beyond Scrum

Was als das Spotify-Framework bekannt wurde, ist die brilliante Darstellung eines Zwischenstands in der Agilen Implementierung bei Spotify von Henrik Kniberg. Spotify hatte mit Scrum angefangen und hat seine Praktiken kontinuierlich weiterentwickelt. An einer Stelle haben sie dann die Rollen umbenannt, um die Konflikt mit den Konnotationen aus dem ursprünglichen Scrum zu vermeiden.

Es war nie gedacht, das Modell einzufrieren oder gar als Blaupause für andere Organisationen zu benutzen.

Beyond Frameworks

Spotify hat allerdings einen Benchmark gesetzt: wie kann man – ausgehend von einem Framework – die Praktiken kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Das einzige, was zu einem Verständnis führen kann: tiefer einsteigen. Bei den Needs und Pains der Organisation starten und dann die Prinzipien und Praktiken zusammenstellen, die zur Lösung beitragen. Ich sehe ein paar Elemente, die für eine langfristige Weiterentwicklung nötig sind:

  1. Systemverständnis vertiefen und mit einem tieferen Einblick in Zusammenhänge arbeiten.
  2. Pains und Need sammeln, die Situation analysieren und daraus Erfolgsbedingungen destillieren
  3. Experimente mit bekannten Praktiken durchführen und Erfahrungen sammeln: was ist wertvoll, was kann man ignorieren, was sollte man vermeiden
  4. Leadership: Authentizität, Rolle und Stil entwickeln
  5. Transformation = Orientierung + Transition + Evolution: vorausplanen, dass und wie man die Lösung stetig weiterentwickeln muss

Ich werde in nächster Zeit einige dieser Punkte genauer beleuchten.

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