11.02.2015
/ Von Christoph Mathis

Skalierung, Kultur und Agile Evolution – Teil 2

Beim Stöbern in meinen Unterlagen bin ich neulich wieder auf den bekannten Text gestoßen, in dem zuerst Scrum genannt wird: „The new new Product Development Game“ von Hirotaka Takeuchi und Ikuriro Nonaka aus Harvard Business Review vom Januar 1986. Allerdings wird nicht Scrum in unserem Sinn als eine Entwicklungsmethodik für (meist) Softwareentwicklung genannt, sondern als Aspekt von Lean Development. Interessant sind die Schwerpunkte, die darin gesetzt werden: der erste ist die Vermeidung von Übergaben – Scrum wird darin in einen Gegensatz zu einem Stafettenlauf gesetzt:

Instead, companies in Japan and the United States are using a holistic method—as in Rugby, the ball gets passed within the team as it moves as a unit up the field.

This holistic approach has six characteristics: built-in instability, self-organizing project teams, overlapping development phases, “multilearning,” subtle control, and organizational transfer of learning. The six pieces fit together like a jigsaw puzzle, forming a fast flexible process for new product development. Just as important, the new approach can act as a change agent: it is a vehicle for introducing creative, market-driven ideas and processes into an old, rigid organization.

Under the old approach, a product development process moved like a relay race, with one group of functional specialists passing the baton to the next group … Under the Rugby approach, the product development process emerges from the constant interaction of a hand-picked, multidisciplinary team whose members work together from start to finish.

Besonders ein Abschnitt hat meine Neugierde geweckt, der Abschnitt über das Lernen:

The shift from a linear to an integrated approach encourages trial and error and challenges the status quo. It stimulates new kinds of learning and thinking within the organization at different levels and functions. Just as important, this strategy for product development can act as an agent of change for the larger organization.

Spannend – aber mir war das noch nicht konkret genug, das erklärt noch nicht viel darüber, wie das funktionieren soll. Aber tatsächlich hat Nonaka mit Noburo Konno und anderen daran gearbeitet, wie dieses beschleunigte Lernen funktionieren könnte und hat einen dynamischen Prozess dafür beschrieben: das SECI-Modell für Wissensentwicklung. Der Prozess beruht auf einem Zusammenspiel von implizitem („tacit“) und explizitem Wissen und beschreibt zyklische oder spiralartige Phasen:

  • S – Socialization: in diesem Schritt wird Wissen durch implizite Erfahrung erworben, z.B. indem man nebeneinander arbeitet oder eine andere Form von physischer Nähe und direkter Erfahrung
  • E – Externalization: im nächsten Schritt wird das Wissen explizit ausgedrückt, das heisst, es wird in eine verstehbare Form gebracht, in der Dritte es verstehen können. Hier wird das Wissen auch für andere Teammitglieder zugänglich und es wechselt von einer rein impliziten in eine explizite Form.
  • C – Combination: damit ist auch die Voraussetzung gegeben, das neue Wissen in einen breiteren und komplexeren Zusammenhang zu stellen. Das ist eine Kernvoraussetzung für eine Systematisierung und Verallgemeinerung.
  • I – Internalization: im vierten Schritt des Zyklus werden die neuen Erkenntnisse in die tägliche Arbeit integriert und werden wieder Teil des persönlichen Skill Set.
SECI model

Team-„Ba“ als Voraussetzung

Das zitierte Papier nennt „Ba“ als eine Grundlage für diesen Prozess. Ba ist Konzept, das einen gemeinsamen Bereich beschreibt, wie einen Arbeitsplatz oder Teamraum, gemeinsame Erfahrungen oder Einstellungen, in dem sich die Art von Beziehungen entwickeln können, die so ein  gemeinsames Lernen ermöglichen.

Darum sind Teams so wichtig

Das hat für mich einige Fragen beantwortet, warum stabile selbstorganisierende Teams mit einem gemeinsamen Arbeitsplatz so wichtig sind

  • Sie bieten einen stabilen Rahmen für einen stetigen Austausch  und hohe Bandbreite für gemeinsames Lernen
  • Teams in einem gemeinsamen Arbeitsraum können die Beziehungen und das Vertrauen aufbauen, das für die Entwicklung des Ba nötig ist
  • Selbstorganisation schafft den Grad von Autonomie, die für diese Art von Austausch unverzichtbar ist

Diese Vorteile muss man unbedingt mitnehmen, wenn man Agil im Grossen einsetzen will.

Teil 1: vier Vorteile agiler Teams

Teil 2: Beschleunigtes Lernen ist Team-Lernen

Teil 3: Grenzen der Agilität in einem Team

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